Interview

From the Outside: Interview mit Alfredo Orobio, Gründer von AWAYTOMARS

Wir haben mit Alfredo Orobio, Gründer der innovativen Plattform AWAYTOMARS, vor seinem Vortrag bei der #FASHIONTECH Berlin gesprochen.
© AWAYTOMARS
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Alfredo Orobio ist Gründer von AWAYTOMARS, einer Plattform, die jedem offensteht und Designern erlaubt ihre Entwürfe zu präsentieren. Die beliebtesten Designs werden anschließend produziert und auf den Markt gebracht. Mit AWAYTOMARS hat Alfredo Orobio eine Plattform geschaffen, die den Designprozess demokratisiert und Mitgestaltungsprozesse auf ein neues Level hebt. Wir haben mit Alfredo Orobio im Vorfeld der #FASHIONTECH Berlin gesprochen.

Wie bist du auf die Idee für AWAYTOMARS gekommen und wie viele Menschen nutzen die Plattform heute?

AWAYTOMARS war das Ergebnis meines Studiums, bei dem ich fast ein ganzes Jahr damit verbracht habe, aufzuzeigen, wie Leute ihre kreativen Ideen in den Sozialen Medien teilen und habe herausgefunden, dass viele Kreative diese bereits in bestimmten Gruppe teilten. Das überraschendste Ergebnis meiner Nachforschungen war, dass Leute nicht nur ihre Ideen teilten, sondern dass wiederum Andere Anregungen gaben, um die Designs zu verbessern. Ich habe erkannt, dass diese Informationen durch fehlende Erfahrungen und Möglichkeiten in unserer Branche verloren gingen. Daher hatten wir die Idee, eine Plattform zu schaffen, auf der Leute an einem einzigen Ort Ideen teilen, Feedback zur Verbesserung geben und Produkte verkaufen können. Wir haben AWAYTOMARS 2015 gegründet und haben gerade die 20.000-Nutzer-Marke erreicht.

Wie fördert AWAYTOMARS den Mitgestaltungsprozess zwischen Designern?

Wir glauben fest daran, dass dies die Zukunft der Kreativwirtschaft ist. Wir bewegen uns von einer zentrisch-kreativen zu einer kollektiv-kreativen Art zu Arbeiten. Es gibt viele Studien in anderen Industrien, wie den Naturwissenschaften, welche Ideen aus der Öffentlichkeit nutzen, um Lösungen zu finden. Wir machen es genauso: Wir bringen Leute mit verschiedener Herkunft und aus unterschiedlichen Kulturen an einem Ort zusammen, wo die Macht der Ideen und deren Verbesserung zählen, wenn wir die Gestaltung und Entwicklung für alle öffnen. Nichts ist besser als Nutzer, die sagen was funktioniert und was nicht, wenn es um Kleidungsdesigns geht.

Wenn jemand eine Idee bei AWAYTOMARS hochlädt, kann jeder darüber abstimmen und Anregungen geben. Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der alle Interaktionen während der kollaborativen Phase sammelt und darstellt. Danach können wir uns jene Ideen anschauen, die die meisten Interaktionen hatten und wählen jene aus, von denen wir glauben, dass sie für den Markt attraktiv wären. Schließlich diskutieren wir mit allen ausgewählten Designern, wie wir das Feedback nutzen können, um ihre Ideen zu verbessern. Der gesamte Prozess ist sehr transparent und von den Nutzern definiert.

Welche Technologien oder neue Prozesse werden Mode und Design in der Zukunft beeinflussen?

Fashion wurde bisher noch nicht so sehr von Technologie beeinflusst, wie es in anderen Branchen passiert. Natürlich haben wir eine Explosion von Online-Multi-Brands in den letzten 10 Jahren, aber das gesamte Konzept ist ein Nachbau des traditionellen Einzelhandels, welches so nicht mehr funktioniert.

Es gibt eine Menge Kosten bei einem konventionellen Laden, wenn man aber sein Unternehmen online ausrichtet, spart man Ausgaben und es macht keinen Sinn weiterhin mit den alten Großhandelsmargen zu arbeiten. Das traditionelle Modell ist unpraktisch für neue Designer, die meist die hohen, minimalen Absatzzahlen nicht erfüllen können oder noch keinen zuverlässigen Geldfluss entwickelt haben. Wir müssen die Rolle der Multi-Brand-Shops in einer Gesellschaft überdenken, die einfachen Zugang zu Online-Shops hat.

Was wir mit AWAYTOMARS erreichen wollen, ist die Rollen von Designer und Kunden in der Produktionskette zu verbessern, und ihnen neue Möglichkeiten geben, Kleidung zu den selben günstigen Konditionen zu kaufen, wie Großhändler.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass Technologie die Art und Weise verändern wird, wie wir Kleidung herstellen. Wir sind noch immer 100% abhängig von menschlicher Arbeitskraft und es wäre eine großartige Entwicklung, wenn wir Maschinen für die frühe und intensive Phase der Produktion nutzen könnten.

Glaubst du also, dass die Zeit für das traditionelle Modell der Modeindustrie abgelaufen ist?

Ich glaube nicht, dass dies das Ende des traditionellen Modells ist, wir haben heutzutage nur mehr Möglichkeiten in andere Richtungen zu denken. Vor zwanzig Jahren wäre es unmöglich gewesen etwas wie AWAYTOMARS zu starten – erschaffen von einem globalen Kollektiv von Fashion Designern, die online miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir diese Veränderung brauchen. Wir müssen darüber nachdenken, wie und wieso wir Kleidung designen, genauso über Haltbarkeit, Überproduktion und Überkonsumieren. Wir fangen jetzt erst an über Nachhaltigkeit nachzudenken, über Produktionsmethoden, denn wir sind erst am Anfang dieses Lernprozesses. Gleichzeitig müssen wir noch so viele Dinge in der Fashion Industrie lösen: Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen sind alles Riesenprobleme, über die viele Marken nicht sprechen.

In der Modeindustrie fehlt außerdem die große Vision, dass Luxusmarken die technologische Revolution anführen sollten, weil sie diejenigen sind, die das Geld haben, in Forschung zu investieren, aber was wir sehen, ist das Gegenteil: Luxusmarken sind haben Angst Innovationen anzustoßen und junge Designer haben schlichtweg nicht das Kapital dafür. Das ist einer der Gründe, warum es sehr lange dauernd wird bis eine technologische Revolution in der Fashionindustrie passieren wird.

Welche Rolle spielt Berlin international im Bereich Fashion-Tech und Design?

Für mich ist Berlin schon immer eine der kreativsten Städte der Welt. Deutschland ist weltweit bekannt für seinen technischen Pioniergeist in vielen Branchen, daher sehe ich großes Potential, wenn beide, die Kreativ- und Technologiewirtschaft, anfangen noch enger zusammenzuarbeiten. Ich glaube, dass eins der Probleme des Fashion-Tech-Bereichs ist, dass viele Menschen in so einem großen Universum den Halt und manchmal auch den Fokus verlieren. Daher sind Initiativen wie #FASHIONTECH Berlin unerlässlich für die Entwicklung und das Verständnis unserer Industrie.