Interview

Interview mit der Slow-Fashion-Designerin Agnes Schorer

Die Designerin Agnes Schorer hat uns im interview erklärt, worum es bei Slow Fashion geht und wie Sie dieses Konzept mit ihrem Label Agnes Nordenholz umsetzt.
© Agnes Schorer
© Agnes Schorer

Wenn es um Nachhaltigkeit in der Mode geht, dann versteht es sich von selbst, dass es auch um Qualität gehen muss. Sorgfältig, aus hochwertigen Materialien gefertigte Produkte haben tendenziell eine bessere Qualität und damit eine längere Haltbarkeit, als “Fast-Fashion”-Produkte. Das Label Agnes Nordenholz setzt genau auf diesen Aspekt der Nachhaltigkeit. Designerin und Gründerin, Agnes Schorer spricht von “Slow Fashion” und produziert mit ihrem Luxuslabel Agnes Nordenholz Produkte mit Seele, die hohe Handwerkskunst und eine lange Haltbarkeit vereinen.

Im Jahr 2015 hat Agnes Schorer das Slow-Fashion-Luxuslabel mit dem Namen Agnes Nordenholz (Nordenholz war der Mädchenname ihrer Großmutter) in Berlin gegründet. Die Mode der Designerin richtet sich gezielt gegen die Schnelllebigkeit in der Modeindustrie. Sie arbeitet mit Leder, Wolle und Fell und lässt so Produkte mit Qualität entstehen. Wir haben mit ihr über ihr Slow-Fashion-Konzept gesprochen.

Frau Schorer, was genau bedeutet “Slow Fashion” für Sie? Wie haben Sie dieses Thema für sich entdeckt?

Slow Fashion ist der Gegensatz von Fast Fashion und allem was damit zu tun hat. Es geht vor allem um die Aufrechterhaltung eines Kulturgutes, und es steht nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund.
Es geht nicht um die Erschaffung ständig wechselnder Trends, sondern vielmehr um Produktdesign, das lange Gültigkeit hat.In meinen Kollektionen werden Designs nicht saisonal ersetzt sondern erweitert, Kollektionen bauen aufeinander auf, manche Stücke bleiben unverändert, da sie so wie sie sind, gut sind.

Mode ist in den letzten 20 Jahren zu einem Wegwerfprodukt geworden, und dabei hat nicht nur die Umwelt gelitten, sondern wir haben Werte verloren. Selbst im hochwertigeren Bereich wechseln die Kollektionen so schnell, dass man zum Dauerkonsum angetrieben wird. Kaum ist die Kollektion im Geschäft, startet der nächste Sale. Diese Schnelllebigkeit zerstört Kreativität und der Konsument verliert die Wertschätzung für das Material und den gesamten Herstellungsaufwand des Produkts.

Im Grunde war dieses Thema immer Teil meiner Arbeit, aber es ist jetzt das Leitmotiv und ich setze es kompromissloser um. Slow Fashion ist auch ein stetiger Reflexionsprozess. Das ist wesentlich: Die ständige Hinterfragung.

Wieso haben Sie das Slow-Fashion-Label Agnes Nordenholz gegründet?

Bei der Neugründung im Jahre 2015 habe ich für mich Resümee gezogen: was ist mir wichtig, welche Kriterien stehen im Vordergrund?

Als Absolventin der Universität für angewandte Kunst in Wien musste ich bei der Diplomvergabe eine Art Eid ablegen, dem Leitgedanken der Universität die Treue zu halten: Die Verantwortung Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft positiv zu beeinflussen. In diesem Sinne bin ich auch der Aufklärung und dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant verpflichtet: Handle nach derjenigen Maxime, die die Maxime eines allgemeinen Gesetzes werden kann.

Wenn ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zu einer Veränderung, einem Bewusstsein schaffen und einem Umdenken leisten kann, wäre ein Ziel erreicht.

In welchen Punkten achten Sie besonders auf Nachhaltigkeit?

Beim Leder verwende ich ausschließlich vegetabil gegerbtes Leder, also Leder, das mit pflanzlichen Gerbmitteln, wie Olivenblättern oder Rinde, verarbeitet wurde. Das ist die älteste Methode zur Konservierung der Häute. Es ist ein sehr langer Prozess und dadurch auch teurer, aber die Qualität und Vorzüge sind unerreicht und die Umweltbelastung durch toxische Chemikalien entfällt.

Ich verwende ausschließlich natürliche, zum Teil zertifizierte Materialien aus Europa, da hier die Richtlinien in der Produktion den höchsten Standard haben.

Die Herstellung findet derzeit hauptsächlich in Deutschland statt, in kleinen Familienbetrieben und traditionellen Manufakturen. Dies verhindert lange Transportwege und ermöglicht den direkten Kontakt und Austausch mit den Herstellern.

Sie verwenden viele Naturprodukte, vor allem vom Schaf (Wolle, Leder, Fell). Was macht diese Materialien so besonders und nachhaltig?

Wolle, Leder und Fell sind nachwachsende Ressourcen von hoher Qualität und Haltbarkeit und sind in der Erzeugung sehr umweltschonend und biologisch abbaubar.

Wolle ist für mich das perfekte nachhaltige Produkt: Es ist eine sehr haltbare Faser, wasser - und schmutzabweisend, kann Feuchtigkeit gut aufnehmen und schnell wieder abgeben, antistatisch, antiseptisch, Geruch absorbierend, elastisch und dadurch sehr knitterarm, es kann Farbe gut aufnehmen und halten und ist biologisch abbaubar.  Für meine Handtaschen verwende ich das Fell der Heidschnucke aus der Lüneburger Heide. Seit Jahrhunderten wird die historische Kulturlandschaft der Lüneburger Heide durch die Schafherden der Heidschnucke erhalten, deren Bestand mittlerweile sehr zurückgegangen ist, da die robuste Wolle des Schafes eher nicht zur Wollherstellung geeignet ist. Es werden ausschließlich Felle aus artgerechter Haltung verwendet, deren Tiere auch der Fleischgewinnung dienen. Durch die fast ganzjährige Freilandhaltung ist das Fleisch der Heidschnucke zudem ein hochwertiger Lieferant von nachhaltigem Biofleisch und somit ein perfekter Gegenpart zur Massentierhaltung. Speziell bei der Heidschnucke gilt, dass die Rasse nur durch Nutzung erhalten bleibt.

Einer meiner Urgroßväter war Kaufmann in einer der weltweit größten Wollkämmereien, ein weiterer war Ledergerber und später Händler für Lederwaren. Ich finde es schön, dass diese Materialien auch Teil der Familiengeschichte sind.

Was bedeutet Berlin für Sie? Warum haben Sie sich 2015 entschieden, ihr Label hier ins Leben zu rufen?

Ich fand Berlin schon immer faszinierend. Meine Entscheidung 2015 nach Berlin zu ziehen, war einerseits ein „back to the roots“-Vorhaben, da meine Vorfahren hier gelebt haben. Meine Urgroßtanten hatten in Berlin ein Geschäft mit Weißwäsche. Andererseits verbinde ich mit der Stadt ein Gefühl der Freiheit und Offenheit. Das hat sich bis jetzt bewahrheitet.