Interview

"Wir ruhen uns nich auf dem Status Quo aus." – Magdalena Schaffrin im Interview

Magdalena Schaffrin, eine der wohl einflussreichsten Personen des Sustainable-Fashion-Segments, Gründerin des Greenshowrooms und Creative Director der Messen Greenshowroom und Ethical Fashion Show, hat unsere Fragen zu aktuellen Highlights und bevorstehenden Veränderungen beantwortet.
© Magdalena Schaffrin
© Magdalena Schaffrin

Nachdem die Ethical Fashionshow und der Greenshowroom, das Messe-Duo für nachhaltige und faire Mode bereits im Januar in das Kraftwerk umgezogen sind und ein neues Konzept erfolgreich lanciert haben, stehen nun weitere Entwicklungen und Änderungen bevor.
Wir haben mit Creative Director Magdalena Schaffrin gesprochen. Sie hat uns verraten, wie unter dem neuen Namen "Neonyt" ein globaler Hub für zukunftsorientiere, nachhaltige Mode entstehen soll.

Frau Schaffrin, Sie haben im Jahr 2009 die Modemesse Greenshowroom gegründet und sind Creative Director der Ethical Fashion Show Berlin und des Greenshowroom – Sie waren also von Anfang an dabei! Wenn Sie nun zurücksehen: Wie hat sich Berlin in Sachen fairer und ökologischer Mode bis heute entwickelt?

Das Thema Nachhaltigkeit ist in Berlin stark verankert. Aber nicht nur hier, sondern generell lässt sich ein immer stärkeres Bewusstsein der Konsumenten für die Missstände in der Textilindustrie erkennen. Nachhaltige Mode ist längst kein Nischenthema mehr! Und Berlin bleibt mit zahlreichen ökologisch und fair produzierenden Labels, nachhaltigen Concept-Stores und Events weiter Mittelpunkt und Vorreiter der Branche.

Das nachhaltige Messe-Duo aus Greenshowroom und Ethical Fashion Show Berlin findet nun zum letzten Mal unter diesen gewohnten Namen statt, wie kam es zu dem Entschluss, die beiden grünen Messen zusammenzufassen?

Mit den beiden Messen Ethical Fashion Show Berlin und Greenshowroom haben wir bereits viel erreicht: Das Messe-Duo ist in Europa, wenn nicht sogar weltweit, die größte Plattform für nachhaltige Mode. Aber wir ruhen uns nicht auf dem Status Quo aus. Vielmehr investiert die Messe Frankfurt als Veranstalter progressiv in die Weiterentwicklung innovativer Themen. Der erste Schritt war der Umzug ins Kraftwerk und der Launch der FashionSustain-Konferenz – sowie der Partnerschaft mit der #FashionTech der Premium Group. Das nächste Level ist nun, dass wir die Messen zu Neonyt weiterentwickeln, dem globalen Hub für zukunftsorientierte Mode und nachhaltigen Innovationen. Hiermit bieten wir den Ort für die Zukunftsthemen der Modebranche.

Was können wir in Zukunft von der Neonyt erwarten? Was ändert sich für die Aussteller und Besucher - und was ändert sich für Sie?

Besucher erwartet ein Rundumpaket an Inspiration: Von der Messe als B2B-Plattform des Hubs über die Modenschau als Fashion-Highlight bis hin zur FashionSustain-Konferenz und Vorträgen visionärer Branchenexperten sowie Events wie die Nightshift oder das Blogger- und Influencer-Event Prepeek powered by Fashion Changers – mit Neonyt legen wir einen klaren Fokus auf die Themen Business, Inspiration, Knowledge und Community. Zudem stärken wir das modische Profil – unter anderem durch die von mir vorgenommene modische Kuratierung der Aussteller, der Zusammenarbeit mit Claudia Hofmann für die Modenschau und Fashion-Events.

Was sind Ihre persönlichen Highlights der jetzt anstehenden Messen? Über die Teilnahme welcher Newcomer und Labels freuen Sie sich persönlich?

Mein persönliches Highlight ist die Modenschau Greenshowroom Selected am Dienstag abend um 19 Uhr. Außerdem freue ich mich, eine Reihe von sehr treuen Ausstellern wieder zu sehen. Lanius, Langerchen, Nat-2, Jan ́n June, um nur einige zu nennen. Neue interessante Brands sind zum Bsp: Ecoalf, die eigene Recycling Projekte haben, um aus Plastikmüll aus den Ozeanen ihre Kollektion zu fertigen. Oder zwei Swimwear Brands : Mymarini und Margaret & Hermione. Diese Saison haben wir einen besonderen Schwerpunkt auf Mode aus Afrika. In diesem Rahmen diskutieren am Donnerstag auf der FashionImpact zwei Entrepreneurinnnen aus Sri Lanka und Äthiopien, wie Mode dazu beitragen kann Kunsthandwerkerinnen zu unterstützen.

Die ausstellenden Labels werden im Rahmen der grünen Messen in Segmente aufgeteilt – welche Segmente sind das auf der aktuellen Fashion Week? In welcher Kategorie bewegt sich Ihrer Meinung nach am meisten?

Die Ethical Fashion Show Berlin ist in die Stilwelten Moderncasual, Craft und Urbanvibe aufgeteilt, der Greenshowroom steht für Highfashion und designorientierte Kollektionen. So können sich Besucher leichter orientieren. Erstmals gibt es zudem ein eigenes Beauty-Areal. Ich denke, dass unter anderem Craft ein immer wichtigeres Thema wird: Mit der zunehmenden Digitalisierung lässt sich gleichzeitig wieder eine stärkere Wertschätzung traditioneller und modern interpretierter Handwerkskunst erkennen.

Stimmt es, dass an die Labels und Hersteller, die im Rahmen der Ethical Fashion Show Berlin und des Greenshowroom präsentieren, bestimmte Anforderungen bezüglich einer ökologischen und fairen Produktion gestellt werden? Wie sehen diese Richtlinien aus und wie kann man sich die Überprüfung der Einhaltung vorstellen?

Wer bei uns ausstellt muss durch einen Nachhaltigkeits-Check gehen. Das heißt alle Labels, die bei uns ausstellen wollen, müssen zunächst einen Fragebogen ausfüllen und uns damit Auskunft über ihre Philosophie, ihre Kollektionen, die Produktion und die verwendeten Materialien geben. Dabei geht es um ökologische und soziale Kriterien, um Zertifikate, die genau das belegen, und um Transparenz in der Lieferkette. Deutlich mehr als die Hälfte der Materialien einer Kollektion müssen nach diesen Kriterien hergestellt sein – ein bisschen Biobaumwolle zu verwenden, reicht also nicht aus. Wenn ein Label nicht sowohl soziales als auch ökologisches Engagement vorweisen kann, geben wir auch gerne mal Hilfestellung, damit es vielleicht in Zukunft mit einem Messestand klappt. Zusätzlich führt die Messe Frankfurt vor Ort stichprobenartige Checks der Labels durch.

In Sachen ethischer und nachhaltiger Mode kursieren viele Buzzwords wie “Upcycling”, “Kreislaufmodelle”, “transparente Lieferketten” oder “Slow Fashion”, das zeigt, wie groß die öffentliche Aufmerksamkeit für diesen Bereich ist – Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aspekte nachhaltiger Mode?

Für mich bedeutet nachhaltige Mode qualitätsvolle Mode, denn ökologische und soziale Aspekte sind für mich ein unabdingbarer Teil von Qualität. Ein hochwertiges Produkt kann nicht von Kinderhand hergestellt worden sein und kann keine schädlichen Chemikalien beinhalten. Ein besonders wichtiger Aspekt nachhaltiger Mode ist daher eine transparente Lieferkette.

Nachhaltigkeit ist ein USP der Berlin Fashion Week. Können Sie genauer definieren, was Berlin anderen Modemetropolen voraus hat?

Genau, Nachhaltigkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal der Berlin Fashion Week. Für dieses Thema wird die Stadt international gefeiert. Mit dem Greenshowroom und der Ethical Fashion Show Berlin hat Berlin die größte Plattform für nachhaltige Mode zu bieten – das hat unsere Hauptstadt Modemetropolen wie Paris oder London voraus. Und daher ist Berlin mittlerweile auch der Ort, an dem sich auch die meisten internationalen fair und ökologisch produzierenden Marken präsentieren.

Wie gut lassen sich Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen denken – hängen die beiden Aspekte zusammen oder handelt es sich eher um zwei verschiedene Entwicklungen?

Denkt man an innovative Materialien wie Strumpfhosen aus recycelten Fischernetzen oder neue automatisierte Fertigungsmethoden, die eine lokale Produktion ermöglichen, so wird deutlich, dass die beiden Zukunftsthemen eindeutig zusammenhängen. Für eine zukunftsorientierte Modebranche muss Nachhaltigkeit und Digitalisierung konsequent mitgedacht werden. Digitalisierung bietet gerade in den globalen Lieferketten der Textilindustrie große Chancen für höhere Transparenz und nachhaltigere und damit sozialere Produktion.

Wie sieht Ihre Vision der idealen und nachhaltigen Modeindustrie aus? Und was sind die größten Herausforderungen auf dem Weg dahin? Wie weit ist Berlin bereits auf diesem Weg?

Meine Vision ist, dass wir irgendwann nicht mehr von nachhaltiger Mode sprechen müssen, sondern eine soziale und ökologische Produktion selbstverständlich ist. Wann das passiert? Keine Ahnung, aber ich bin Optimistin.

Vielen Dank, Frau Schaffrin.

Magdalena Schaffrin ist seit Jahren ein bekanntes Gesicht der Modeszene Berlins und wurde in unserer Reihe „Faces of Fashion“ gefeatured. Faces of Fashion.

Der Greenshowroom findet auch in der Juli 2018 Saison der Berlin Fashion Week wieder statt, erstmalig mit eine Showslot zur MBFW. Die Show der MBFW findet am Dienstag um 19 Uhr im eWerk Berlin statt oder kann alternativ im Livestream verfolgt werden.

Der Greenshowroom findet zum letzten Mal im alten Konzept vom 3.-5. Juli im Kraftwerk Berlin statt. Zukünftig, zusammen mit der Ethical Fashion Show zu Neonyt – eine vereinte Plattform für nachhaltige Mode auf der Berlin Fashion Week.